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Hutzi Spechtler  
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Jahreszeiten beim Sonnenwetter?

Die Vorhersage des Sonnenwetters erfordert das Verständnis der Entstehung, Wechselwirkung und Instabilität der Sonnenaktivität [1] über lange und kurze Zeiträume. Der bekannteste Vertreter derartiger periodischer Veränderungen der Sonne ist der sog. 11-jährige Sonnenfleckenzyklus [1]. Ebenso sind die beobachteten Asymmetrien der Sonnenaktivität in beiden Hemisphären [1] unverstanden - beispielsweise in den Jahren 2009-2014.

Neue Untersuchungen des Sonnenzyklus [2] zeigen, dass die Erde nicht das einzige Objekt des Sonnensystems ist, das jahreszeitliche Zyklen (wie das Wetter) besitzt.

Wissenschaftler des NCAR/UCAR (National Center for Atmospheric Research) [1] beobachteten nunmehr Bänderstrukturen aus starken Magnetfeldern [1] in der nördlichen und südlichen Hemisphäre der Sonne, die offensichtlich derartige Variationen im Sonnenzyklus steuern [2].

Das Phänomen sei analog zum Golfstrom [1] auf der Erde, so die Forscher. Diese rasch fließende atlantische Meeresströmung ist Teil eines globalen Strömungssystems, das wie ein Förderband wirkt. Übertragen auf die Sonne könnte eine globalere Betrachtung der Sonnenaktivität - anstelle der Fokussierung auf einen einzelnen Sonnenfleckenzyklus - zu einem besseren Verständnis unseres Zentralsternes führen.

Die Sonnenaktivität - Zyklen über Zyklen
Die Sonne besteht aus Gas. Diese Gase sind sehr heiß, sie strömen aus dem Inneren auf und sinken wieder ab. Dabei entsteht ein Magnetfeld [1] - ähnlich dem der Erde. Entgegen dem irdischen Magnetfeld ist das Magnetfeld der Sonne an das heiße elektrisch leitende Gas gebunden.

Vor allem die Rotation der Sonne (und damit die Rotation des heißen Gases) verdreht und dehnt diese Magnetfelder; am Sonnenäquator bewegt sich das Gas viel schneller als in höheren Breiten. Das bewirkt ein Aufwickeln der Magnetfeldlinien um die Sonne, es entsteht ein ringförmiges Magnetfeld.

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Abb. 1 Schematische Darstellung des aufgewickelten und an der Oberfläche
aufbrechenden Sonnenmagnetfeldes (links) sowie die Entstehung von paarweise
Sonnenflecken (sunspot pair) an den Durchstoßpunkten der Feldlinien an der Oberfläche (rechts). Die Magnetfeldlinien sind durch Linien mit Pfeilen dargestellt. [2]
© kaltesonne.de

 

Die Magnetfeldlinien können Bündelstrukturen bilden, die nach oben steigen und aus der Sonnenoberfläche heraustreten (Abb. 1). An den Bereichen des Durchbrechens der Feldlinien entstehen die sog. Sonnenflecken [1] (Abb. 1). Sie besitzen während insgesamt rund 11 Jahren die gleiche magnetische Orientierung.
 
Der Magnetismus [1] der Sonne besitzt unterschiedliche Zeitskalen. Auf einer Sonnenhemisphäre wechselt die magnetische Polarität [1] der Flecken vom einen zum nächsten Sonnenfleckenzyklus.

Der bekannteste Sonnenzyklus ist der 11-jährige Sonnenfleckenzyklus (Abb. 2), der sog. Schwabe-Zyklus [1], benannt nach Samuel Heinrich Schwabe [1]. Diesem Zyklus liegt ein doppelt so langer Zyklus zugrunde, der sog. 22-jährige Hale-Zyklus [1].

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Abb. 2 Schematische Darstellung des 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus
während der letzten 400 Jahre. Die Maxima entsprechen einem Zeitraum
mit besonders vielen Sonnenflecken (rote Bereiche), in den Zeiträumen
dazwischen zeigen sich besonders wenige Flecken auf der Sonnenoberfläche.
© kaltesonne.de

 

Neben dem 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus kann der Zyklus der Sonnenaktivität mithilfe von sog. intra- und extra-hemisphärischen Wechselwirkungen zwischen sich überlappenden Aktivitätsbändern [1] des
22-jährigen Zyklus (der magnetischen Polarität [1]) erklärt werden. Die Aktivitätsbänder der Sonne scheinen durch die Rotation des Sternes tief in dessen Innerem gesteuert zu werden.

In diesem Zusammenhang ist eine wichtige Frage zur Sonnenaktivität bisher unbeantwortet: Weshalb folgt das Maximum starker Sonnenflares [1] (Abb. 3) und Eruptionen (Coronal Mass Ejections, CMS) [1] oftmals erst ein Jahr nach dem Sonnenfleckenmaximum?

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Abb. 3 Ein besonders eindrucksvoller Sonnenflare (Sonneneruption) vom 14.09.1999. © SOHO/NASA

 

Diese Verzögerung der Sonnenaktivität bezeichnet man als Gnevyshev-Lücke [1]. Sie wurde nach dem sowjetischen Wissenschaftler benannt, der um 1940 erstmals auf dieses Phänomen aufmerksam machte.
Möglicherweise bewirken jahreszeitliche Schwankungen im Zusammenhang mit der Wechselwirkung der Aktivitätsbänder einen Anstieg der Störungen in der Sonne, der erst rund ein Jahr nach dem Fleckenmaximum erfolgt.

Erklärung der neuen Beobachtungen
Neben dem 11- und dem 22-jährigen Zyklus beobachten die Wissenschaftler starke quasi-jährliche Änderungen in der Anzahl der Flares und der CMEs. Die neuen Beobachtungen erklären die kurzperiodischen Schwankungen durch Störungen des Magnetfeldes in den Aktivitätsbändern.

Die asymmetrische magnetische Entwicklung der nördlichen und der südlichen Sonnenhemisphäre der letzten Jahre kann dazu beitragen zu verstehen wie der 22-jährige Polaritätszyklus der Sonne das Auftreten und die Verteilung der Sonnenflecken des 11-jährigen Zyklus beeinflußt.

Die Forschergruppe um Scott McIntosh [3] kann mithilfe ihrer neuen Beobachtungen zeigen, dass die verdrehten ringartigen Bänder des

22-jährigen Polaritätszyklus in die Konvektionszone [1] im Inneren der Sonne sozusagen "eingebettet" sind. Diese Bänder erscheinen zuerst bei hohen Breitengraden (rund 55 Grad) und bewegen sich danach in Richtung des Sonnenäquators. Sie wechselwirken mit dem entgegengesetzt polarisierten magnetischen Band des vorangegangenen Zyklus bei niedrigen Breitengraden in jeder der beiden Hemisphären der Sonne (Abb. 4).

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Abb. 4 Schematische Darstellung der wechselwirkenden Aktivitätsbänder des
22-jährigen Sonnenzyklus [2].
Die Darstellung zeigt die Änderung der Lage der magnetischen Aktivitätsbänder
im Zeitbereich von 15 Jahren. In diesem Zeitraum bewegen sich die Bänder (rot bzw. blau) von hohen Breitengraden (Latitude) in Richtung des Sonnenäquators
(0 Grad).
Die Pfeile zeigen mögliche Wechselwirkungen der Aktivitätsbänder. Die Länge und Intensität der Pfeile entspricht der Stärke der jeweiligen Wechselwirkung.
Um das Jahr 1998 und 2010 scheinen sich die Bänder am Äquator gegenseitig
auszulöschen. Die rote und blaue Färbung entspricht der entgegengesetzten Polarisation der Aktivitätsbänder. Ein vollständiger Zyklus dauert rund 19 Jahre.
© AAS (2014)/[3]

 

Die Wechselwirkung der Aktivitätsbänder (mit entgegengesetzter magnetischer Polarität) moduliert das Auftreten der Sonnenflecken bei niedrigen Breitegraden. Auf ihrer Bewegung in Richtung des Sonnenäquators scheinen sich die Bänder am Äquator sozusagen "auszulöschen", beispielsweise in den Jahren 1998 und 2010.

Dieses Auslöschen geht mit dem Ende des Sonnenfleckenzyklus einher und hinterlässt nur ein Aktivitätsband (in jeder Hemisphäre) bei höheren Breiten. Dabei entstehen Sonnenflecken relativ schnell in diesen Bändern und wachsen während der nächsten Jahre an bis sich ein neues Band mit entgegengesetzter Polarität bei hohen Breiten - wie im Jahr 2001 (Norden) und 2003 (Süden) - bildet.

Diese Entwicklung bezeichnet die maximale Aktivität des neuen Zyklus und leitet ein Absinken der Sonnenfleckenanzahl ein. Die Wechselwirkung des zeitlichen Offsets der 22-jährigen Aktivität steuert den quasi-11-jährigen Sonnenfleckenzyklus. Die Steuerung dieser langjährigen Zyklen erfolgt durch die Rotationsenergie am Boden der Konvektionszone * [1].

Ähnlichkeiten mit der Erde
Rotierende Atmosphären wie die der Erde oder die der Riesenplaneten [1] unseres Sonnensystems zeigen oftmals globale Phänomene auf kürzeren Zeitskalen - wie beispielsweise Kelvinwellen [1] oder Rossby-Wellen (Ozeanographie) [1] -, die für den Transport und die Regulierung des Energiehaushaltes in diesen Systemen verantwortlich sind.

Im Zusammenhang mit der detaillierten Betrachtung von Sonnenzyklen beobachteten die Autoren [2] eine deutliche Veränderung des Sonnenzyklus innerhalb von einigen Jahrzehnten. Ein derartiges globales Verhalten der Sonne in der Konvektionszone scheint dem in der Erdatmosphäre oder anderen planetaren Atmosphären zu ähneln. Im Falle der Sonne spiegeln diese Änderungen im Sonneninneren wider. Gelangen diese Effekte in die äußere Sonnenatmosphäre, beeinflusst der magnetische Fluß (aus dem Inneren) den Strahlungsausfluss sowie eruptive Ausbrüche der Sonne.

Wechselwirkungen und die Gnevyshey-Lücke
Die kurzperiodischen Änderungen der Sonne spiegeln sich in der Flare-Aktivität wider. Innerhalb der letzten rund 35 Jahre - das entspricht den letzten drei Sonnenfleckenzyklen - entspricht die beobachtete Anzahl der Sonnenflecken und Flares einem Rückgang der Sonnenaktivität, so die Wissenschaftler [3].

Das Maximum der Flare-Aktivität fällt jedoch nicht mit dem der Sonnenflecken zusammen, sondern folgt meist einige Jahre später. In Bezug auf die dekadenweisen Veränderungen der Sonnenaktivität steigt die Anzahl der Flares (> 50 %) sowie die monatliche Anzahl der Sonnenflecken (10-15 %) über einen Zeitraum von mehreren Monaten stark an.

Kurzperiodische Variabilität in Zyklus 23
In Bezug auf den letzten Sonnenfleckenzyklus und die Beobachtung von CMEs, der Sonnenfleckenzahl und von Flares zeigt sich eine beträchtliche zeitliche Verzögerung zwischen dem Maximum der Sonnenflecken und dem der CMEs und Flares. Die Maxima der Sonnenfleckenzahl besitzen entsprechende Maxima der Rate der CMEs. Die gleiche Analogie besteht zwischen der Anzahl der Sonnenflecken und der Rate der Flares.

Jedoch zeigen nicht nur die eruptiven Phänomene Schwankungen ähnlicher Größe und Zeitskalen, sondern ebenso die der (über die Sonnenscheibe integrierte) Strahlung der Sonne.

Neben dem Zusammenhang zwischen der Sonnenfleckenzahl und der Rate der CMEs und Flares existiert eine Beziehung zwischen der ersteren und dem Sonnenwind. Mithilfe der Häufigkeit des Elementes Helium (He) [1] als Marker für die magnetische Aktivität der Sonnenatmosphäre können die Forscher ein starkes Absinken im Sonnenwind innerhalb der letzten drei Jahrzehnte aufzeigen. Die Variation der Geschwindigkeit des Sonnenwindes deutet auf einen Zusammenhang zwischen den Prozessen, die die Form der Magnetosphäre und Heliosphäre [1] bestimmen und der Zunahme der magnetischen Variabilität.

Das Anwachsen des sog. Loches in der Sonnenkorona [1] (Abb. 5) während dem Absinken des Sonnenfleckenzyklus (beispielsweise in den Jahren
2003-2004) steht ebenfalls mit der 22-jährigen Aktivität der Aktivitätsbänder in Verbindung.

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Abb. 5 Das koronale Loch der Sonne.
Das Loch in der Sonnenkorona macht sich im UV-Licht als dunkle Region bemerkbar. Löcher in der Korona sind Bereiche, in denen sich das solare Magnetfeld sozusagen "öffnet", dabei können Teilchen - der Sonnenwind - in den Weltraum entweichen. Die im Sonnenwind enthaltenen Protonen [1] und Elektronen [1] können die obere Atmosphäre der Erde erreichen und dort Nordlichter [1] auslösen. © NASA

 

Wie der Verlauf der Entwicklung der Flares und CMEs erfährt auch die Fläche des koronalen Loches ihr Maximum erst nach dem Maximum der Sonnenflecken. Die Verzögerung zwischen beiden Maxima liegt bei rund 6 Monaten.

Kleinskalige Magnetfeldstrukturen zeigen ähnliche Perioden; sie werden scheinbar durch die Rotation der tiefer liegenden Strahlungszone gesteuert. Eine Erklärung könnte an der Grenze zwischen der Konvektions- und der Strahlungszone liegen.

 

Fazit
Leider kennen wir bisher den physikalischen Ursprung des quasi-periodischen magnetischen Verhaltens unseres Zentralsternes noch nicht. Jedoch diese Änderungen deutliche Auswirkungen auf die äußere Sonnenatmosphäre.

Wahrscheinlich zeigt jedoch jede Eigenschaft der äußeren Sonnenatmosphäre (wie Sonnenflecken, Flares, CMEs und geomagnetische Stürme [1]) ihr eigenes Verhalten auf diese Änderungen.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Veränderung der Anzahl von Sonnenflecken nur durch Prozesse nahe der Sonnenoberfläche erklärt werden kann. Das Verhalten der Sonnenfleckenanzahl ist auf jeden Fall mit den Aktivitätsbändern des 22-jährigen Polaritätszyklus verbunden.

Fest steht, dass nur ein Verständnis der langlebigen magnetischen Aktivitätsbänder beider Hemisphären die Verzögerung unterschiedlicher Maxima erklären kann, also weshalb die Maxima der Flares, der CMEs und des koronalen Loches erst lange nach dem Maximum der Sonnenflecken auftreten.

Neben einer rund 10-jährigen Periode der Sonnenaktivität existiert eine deutliche starke Variabilität des magnetischen Flusses in jeder Helisphäre der Sonne, ihre Periode beträgt rund ein (Erd)Jahr.
Als einfache Erklärung kommt der Anstieg des Sonnenmagnetismus in Betracht, der mehr und mehr magnetischen Fluß aus der Tiefe in die Oberflächenschichten der Sonne schaufelt. Wenn diese magnetischen Regionen zerfallen, wird bei jeder Sonnenrotation magnetischer Fluß in Richtung der Sonnenpole transportiert. Jedoch kann diese Theorie die Ursache des Prozesses nicht klären.

Möglicherweise existieren großskalige (globale) Wellen und Instabilitäten, die am Boden der Konvektionszone wandern, dort wo die Aktivitätsbänder ihre Ursache finden. Wir beobachten die Effekte dieser Wellen und Instabilitäten auf den Magnetismus der Sonnenoberfläche. Der Anstieg des Magnetfeldes der Sonne bewirkt offensichtlich einen Anstieg
der Sonnenaktivität.

Die wachsende Bedeutung und Abhängigkeit unserer Zivilisation von der modernen Technologie erfordert auch ein besseres Verständnis des Weltraumwetters [1] und damit der Funktionsweise der Sonne.

Dies gilt insbesondere für die Bildung der magnetischen Aktivitätsbänder, die als Schlüssel für die Variationen der Sonnenaktivität auf großen (Jahrzehnte) und kleinen (jährlichen) Zeitskalen gelten.

 

Ausblick
Nun erwarten die Sonnenforscher mit Spannung den Start des europäischen Solar Orbiter [1, 4] im Jahr 2018. Das Sonnenteleskop wird sich unserem Zentralgestirn bis auf rund 500.000 Kilometer nähern und insbesondere die Polregionen der Sonne genauer unter die Lupe nehmen. Dies soll klären wie genau das Magnetfeld der Sonne entsteht. Auch die Änderungen im Sonnenwind sollen mit noch größerer Genauigkeit untersucht werden.

 

Falls Sie Fragen und Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie uns unter kontakt@ig-hutzi-spechtler.eu

 

Ihre
IG Hutzi Spechtler – Yasmin A. Walter

 

 

Quellenangaben:

[1] Information zu astronomischen und physikalischen Begriffen
www. wikipedia.de

[2] Kurzartikel zum Magnetfeld der Sonne
http://ig-hutzi-spechtler.eu/aktuelles__mysterium_magnetfeld.html

[3] McIntosh, S.W., et al., Nature Communications 6 (Apr 7, 2015)

[4] Mehr Information zum Solar Orbiter der ESA
http://sci.esa.int/solar-orbiter/55772-solar-orbiter-launch-moved-to-2018/

 

 

* Konvektionszone der Sonne = Bereich außerhalb der Strahlungszone [1].
Ihr Durchmesser beträgt rund 140.000 Kilometer, das entspricht einem Fünftel des Sonnendurchmessers. In dieser Zone wird die Energie der Strahlung durch Strömung [1] transportiert, dabei steigen heiße Gasmassen auf, kühlen sich ab und sinken wieder in das Innere der Sonne usw.

 

 

 

 

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